DEN THÜRINGER THEATERPREIS 2020 ERHÄLT DIE INSZENIERUNG „FACE ME“ VOM TANZTHEATER ERFURT.
Der Thüringer Theaterpreis, als Preis der Freien Darstellenden Künste in Thüringen, wird 2020 mit Entscheid der Fachjury an die Inszenierung: „FACE ME“ VOM TANZTHEATER ERFURT verliehen.
Der Preis wurde in diesem Jahr online und per Videobotschaft durch den Projektreferenten der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen Dr. Michael Grisko im Rahmen des AVANT ART FESTIVALS – ONLINE! an die Preisträger verliehen.
Die Jurybegründung zu „Face me“
Wie zu Beginn sitzt die Performerin auch am Ende auf der Bühne, allein und isoliert in einer weißen Fläche. Nicht den Rücken den Zuschauenden zugekehrt, wie zu Beginn der Darbietung, sondern mit dem Gesicht zum Publikum. Zwischen diesen beiden Ruhepunkten liegt eine bildgewaltige Entwicklung, durch die Tabea Wittulsky als geschlechtsloses Wesen tanzte. Einen Traum oder Alptraum, je nach Perspektive, hat sie mit ihrem Körper durchmessen, in dem Räume entstanden und kollabierten, sich drehten und entfalteten. Ein Mensch allein im künstlichen Raum. Die Bühne von Philip Rubner bestehend aus Licht und Flächen gleicht einem abgeklappten Laptop. Auf dieser Bühne hat Dirk Rauscher mit Videomapping Räume kreiert, in denen sich die Tänzerin so im Einklang mit den Lichteffekten bewegt, dass Zuschauende sich kaum vorstellen können, dass es sich nur um Projektionen handelt.
Von einfachen Linien bis hin zu komplexen geometrischen Strukturen reicht das Darstellungsrepertoire des Videobildes. Diese Animationen erzeugen vielfältige Bühneneffekte, etwa dann, wenn große Wandteile auf die Protagonistin stürzen, oder sie mit einer Drehung, die ganze Projektion um sich selbst drehen lässt. Eine zentrale Frage der Inszenierung ist: Wer bewegt wen? Gibt die Tänzerin die Impulse in den Raum und dieser nimmt sie auf? Das gelingt überzeugend, wenn konzentrische Wellen im Gitternetz, um den Körper der Tänzerin entstehen. Im nächsten Moment jedoch zwingt der digitale Raum der Performerin seine Regeln auf, wie in den Computerspiel-Sequenzen, in denen der Körper auf die leuchtenden Flächen reagieren muss.
Konzeptionell tragend ist die Musik von Michael Krause, die die Räume zur Entstehung drängt, in den Körper der Performerin fährt und die vielgestaltige Cyber-Reise gliedert. Dabei wechseln sich eindrucksvoll elektronische Sounds und symphonische Momente ab. Die Staatskapelle Weimar unter der Leitung von Olaf Storbeck lädt die geometrischstrenge Anordnung emotional auf. Zusammengehalten wird dieses Gesamtkunstwerk aus Tanz, Licht, Raum und Musik durch die Choreographie von Ester Ambrosino, die eine spürbare Geschichte aus dem Effektgewitter herausarbeitet. Überwältigt und staunend bewegen wir uns mit der Tänzerin, wechselnd zwischen Hingabe und Abwehr, durch das Stück. Und so sind es auch wir, die Zuschauenden, die am Ende wieder am Boden kauern und darüber sinnen, was wir da gerade erlebt haben. War das unsere Welt, oder ein fremdes Universum? „Face me“ lautet die Antwort, die der Stücktitel gibt, „Schau mich an“ und finde in dir die Erfahrungen die du gemacht hast.
Die Fachjury würdigt diese außerordentliche Inszenierung des Tanztheaters Erfurt, in einer Kooperation mit dem DNT Weimar und dem Theater Erfurt. Der Thüringer Theaterpreis ist mit 1500,- € dotiert. (gestiftet von der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen) Der Thüringer Theaterpreis wurde 2020 – im Jubiläumsjahr des 30jährigen Bestehens des Thüringer Theaterverbandes – zum 5. Mal verliehen. Weitere Eindrücke und Informationen finden Sie auf www.avantartfestival.de
DIE FACHJURY
- Ulrike Seybold (Geschäftsführerin des NRW Landesbüros Freie Darstellende Künste, Kulturmanagerin)
- Stephanie Heiner (Leiterin des Volkstheaters am Staatstheater Karlsruhe; Theater- und Tanzpädagogin)
- Christian Hanisch (Freier Regisseur und Dramaturg in Leipzig)
- Christian Fuchs (Freier Regisseur und Puppenspieler in Leipzig)
- Dr. Michael Grisko (Referent für Projektentwicklung und -förderung bei der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen)